Indian Summer in Graubünden
An der Baumgrenze hoch über dem See mit prächtiger Aussicht
Es ist wieder soweit! Die Bündner Berge leuchten jedes Jahr von Neuem um die Wette. Wenn die Lärchen, welche die Flanken der Berge dominieren wieder ihr gelbes Kleid präsentieren, ist es für uns Fotografen wohl jedes Jahr ein kleines Highlight! In diesem kleinen zwei bis maximal dreiwöchigen Fenster tummeln sich die meisten Landschafts-Fotografen im Süden der Schweiz, wo es noch ausgiebige Lärchenwälder gibt. Graubünden bietet sich für mich besonders gut an, da die Gegend mit dem Auto in absehbarer Zeit erreichbar ist. Da ich mir für den Herbst in diesem Jahr nun endlich einmal genug Zeit eingeräumt habe, freue ich mich auf stressfreie Fototrips in guter Gesellschaft von Freunden und Fotografen-Kollegen.
Also machen sich mein Jugendfreund Daniel und ich uns auf den Weg Richtung Süden mit viel Vorfreude auf die kommenden Tage, welche sich laut Meteorologe wettertechnisch sehr vielversprechend entwickeln könnten für unser Vorhaben. Das erste Ziel sind die schönen Bergseen im Val da Camp und die Fahrt über den Berninapass zieht sich dann doch recht in die Länge. Alles kein Problem, denn wir sind frisch und voller Tatendrang und die herrliche Kulisse, welche sich durchs Autofenster bietet, spornt unseren Enthusiasmus noch mehr an. Nach den schönen Sommermonaten in sattem Grün wirken die gelb-orangenen Farbtöne der Berge jedesmal wieder exotisch und besonders anziehend.
Am Parkplatz in Sfazù herrscht schon Wild-West-Stimmung, denn die Autos haben sich teilweise schon gegenseitig zu parkiert. Trotzdem finden wir einen passenden Platz und treffen da schon das erste mir aus den Sozialen Medien bekannte Fotografengesicht. Jedesmal witzig, wenn man eine Person nur aus Storys von Instagram kennt und dann zum ersten Mal in Echt sieht. Gemeinsam laufen wir hoch zum ersten dieser Bergsee-Perlen zuerst auf Asphalt-Strassen und danach über steiniges, grün überwuchertes Gelände. Am Bergsee machen wir zuerst eine kleine Besichtigungsrunde und machen es uns danach auf ein paar direkt am Ufer gelegenen Holzbänken in der prallen Sonne bequem.
Gegen den Abend hin verdichten sich die Wolken und trüben ein wenig die Erfolgsaussicht auf gutes Licht. Die Sonne scheint nun nur noch selten hinter den Quellwolken hervor und schon bald schwindet die Hoffnung auf schöne Farben gänzlich. Eigentlich sollte ich es nach diesen Jahren als Landschaftsfotograf ja besser wissen, aber noch während ich die Kameras zusammenpacke, bemerke ich plötzlich im Augenwinkel dieses Leuchten am Himmel. Es brennt doch noch! Die Wolken färbten sich nochmals in voller Pracht im schönsten Organe bis ins Lila. Da ich mich nach wie vor am Ort der vorhergehenden Komposition befinde, vergehen keine 2 Minuten bis meine Kamera wieder einsatzbereit ist. So darf es nun gerne weitergehen die nächsten Tage, denken wir uns.
Der Plan war es nun bis in die Nacht hinein zu warten und die Milchstrasse zu fotografieren, wessen Zentrum sich in diesem Monat nur noch ganz kurz am Horizont zeigt. Schnell jedoch sehen wir ein, dass wir bei dieser Wolkenlage und Prognose keinen klaren Nachthimmel erleben werden und machen uns auf den Weg zurück zum Auto. Also ging es nun darum wo wir übernachten werden. Darüber hatten wir uns noch keine Gedanken gemacht. Wir entschieden uns dann wieder Richtung Sils zu fahren und auf dem Berninapass auf einer Anhöhe unser Zelt aufzuschlagen. Auf der Passhöhe angekommen waren wir im dichten Nebel. Zum Glück gibt es Apps, welche einem auch bei schlechten Sichtverhältnissen den Weg weisen und so stiegen wir die 150 Höhenmeter zum gewünschten Übernachtungsplatz auf. Nach etwa 100 Höhenmeter sind wir zu unserem Erstaunen über der Wolkendecke. Ich machte ein paar Bilder von dieser speziellen Stimmung und danach widmeten wir den Rest der Nacht der gemeinsamen Freude am sorglosen, unbekümmerten Zeltleben in den Bergen.
Am Morgen zieht es mich dann zu einem der zahlreichen Tümpel, welche es überall wild verstreut auf dieser Ebene hat. Klarer Himmel und das Berninamassiv mit schönstem Alpenglühen, was für ein Anblick! Daniel macht noch seine Drohnenaufnahemen und dann packen wir unsere Sachen zusammen und steigen zur Passhöhe hinab. Da er am Folgetag arbeiten muss, lasse ich ihn in St.Moritz am Bahnhof aussteigen und mache mich alleine auf den Weg zum Silsersee.
Da angekommen gönn ich mir in einem Restaurant direkt am See zuerst einmal eine warme, regionale Mahlzeit. Pizokel, eine besonders leckere Teigwarenspezialität aus Graubünden. Dann meldet sich auch schon der Fotografen-Kollege, den ich am Vortag spontan getroffen habe per Nachricht und fragt ob ich mit ihm gemeinsam losziehe. Da wir schon am Tag davor über unsere heutigen Pläne diskutiert haben, war klar wohin und so war der besagte Fotografen-Genosse dann auch schon 10 Minuten später am selben Parkplatz. Mit vollem Bauch ging es also hoch über den Silsersee. Zuerst auf einem Panorama-Wanderweg und danach in steinigem, weglosen und steilem Gelände auf Erkundungstour. Unterwegs trafen wir auf einen weiteren krackselnden Fotografen, der sich uns dann auch anschloss. So irrten wir nun zu dritt stundenlang in diesem von grossen Steinblöcken und Couloirs durchzogenen Steilhang umher, auf der Suche nach der schönsten Lärchenansammlung für ein schönes Foto. Wir entschieden uns dann doch für die Stelle, welche wir bereits von einem anderen Fotografen kannten und wessen Bild uns auch zu diesem Trip inspiriert hat. Bis in die Dämmerung quatschten und fotografierten wir gemütlich da oben und stiegen dann gemeinsam im Dunkeln wieder ab. Danach trennten sich unsere Wege, denn jeder hatte für den nächsten Tag seine eigenen Pläne. Ich fuhr mit dem Auto an den Ausgangsort für den nächsten See, welchen ich am Morgen abzulichten plante und übernachtete ausnahmsweise gleich in meinem VW Golf. Wenn ich beide Vordersitze ganz nach vorne rücke und die hinteren herunterklappe ergibt sich eine ganz stattliche Schlaffläche, welche mit meiner Schlafmatte und Decken in den Wölbungen unterlegt sich als sehr bequem herausstellte.
Am Morgen waren da nicht die versprochenen Wolken und auch der Wind war unerwartet stark. Also packte ich meine Filter aus und versuchte ein paar Langzeitbelichtungen. Ein zweiter Fotograf war auch vor Ort, welcher witzigerweise in meiner Nachbar-Gemeinde aufgewachsen ist. Zusammen schlenderten wir den See nach möglichen Motiven ab und philosophierten über den Fotografengott und die Welt. Als die Sonne dann gegen Mittag auch die Lärchen am See beschien, legte sich dann auch der Wind und der See begann zu spiegeln. Dank diesem zweiten, freundlichen Fotografen konnte ich dann auch noch ein paar Bilder davon machen, denn alle meine 5 Akkus waren zu diesem Zeitpunkt leer und er hatte noch einen vollen dabei vom gleichen Kameratyp / Hersteller.
Am Nachmittag wollte ich eigentlich nach Hause fahren aber die Wolkenlage stimmte mich zu einer Planänderung um. Ich fuhr nach St.Moritz wo ich in einem Fotofachgeschäft einen (freundlicherweise aufgeladenen) Akku kaufte um am Abend noch einmal die Stelle zu fotografieren, wo ich am Vortag mit den zwei anderen Kameraden war. Zum Glück kannte ich nun ja den Weg und so war ich um einiges schneller als am Vortag am gewünschten Spot. Genau so hatte ich mir die Wolken vorgestellt und auch wenn das Leuchten am Abend ausfiel, so hatte ich doch die schönen Tagesfotos mit dem Licht in den Lärchen und den schönen Schleierwolken, welche dem Bild noch die nötige Würze verpassten. Lediglich der Abstieg war alleine ein wenig beängstigender, denn zwischen den Steinblöcken war überall hohes Gras und so sieht man die unzähligen Löcher und Hohlräume sehr schlecht. Zum Glück hatte ich den Stock dabei, mit welchem ich jeden Schritt auf ungewollte Einbuchtungen testete. Heil unten angekommen machte ich mich auf die zweieinhalbstündige Heimfahrt. Adieu schönes Graubünden.